Für die evangelischen Kirchen ist das Bischofsamt nicht konstitutiv. Weder in der Geschichte noch gegenwärtig in der Vielfalt der evangelischen Kirchen ist das Bischofsamt für alle Kirchen verbindlich. Auch theologisch ist das Bischofsamt für die Kirche nicht notwendig.
In evangelischer Freiheit kann eine Kirche ein Bischofsamt einführen und gestalten, insofern es eine dienende Funktion für die Kommunikation des Evangeliums und für kirchliche Entwicklungen hat.
Das Bischofsamt entspringt keiner heiligen, überzeitlichen Ordnung, die es umzusetzen gilt, sondern steht in der Verantwortung der Kirche.
Bei Gründung und Begründung eines Bischofsamtes ist darauf zu achten, wie dieses Amt in der Geschichte der Kirche verwurzelt ist, wie es für diese Kirche fortgeschrieben werden kann und wie es in aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen ausgestaltet werden sollte.
Ein wesentliches Kriterium für Gestalt und Gestaltung des evangelischen Bischofsamtes ist die Frage, wie Leitungsverantwortung in der Kirche wahrgenommen wird. Zu stärken ist, dass Leitungsverantwortung immer auf Personen angewiesen ist. Somit ist eine Person in einem exklusiven Amt Ausdruck dieser Verantwortung – wobei auch die Gefahr entsteht, Leitung (in Liturgie, Recht oder in Entscheidungssituationen) auf eine Person qua Amt zu konzentrieren und so synodale Leitung und damit die gemeinsame Leitungsverantwortung aller für die Kirche einzuengen. Wie gelingt es, gerade in Zeiten von Leitungskonzentration, wieder inklusive und gemeinschaftliche Verantwortung zu stärken? Das Bischofsamt hat gegenwärtig der Demokratisierung in Kirche und Gesellschaft zu dienen.
Zur Ausgestaltung des Bischofsamtes sind immer Kontexte mit zu bedenken. Um in der Ökumene mit der katholischen oder orthodoxen Kirche sprachfähiger zu werden, legt sich etwa ein evangelisches Bischofsamt nahe. Wie aber kann es gelingen, das fundamental Andere eines evangelischen Bischofsamtes auch in der Öffentlichkeit erkennbar zu machen?
Sinnvoll könnte gegenwärtig ein Bischofsamt sein, um in der medialisierten Öffentlichkeit durch eine Bischofsperson evangelische Kirche sicht- und hörbar zu machen. Gelingen kann dies allerdings nur, wenn evangelische Kirche vielfältig in dieser medialisierten Öffentlichkeit präsent ist und klar ist, welche besondere Rolle (und mit welcher Botschaft) in diesem Konzert dem Bischofsamt zukommen soll.
Gegenwärtig findet ein rasanter und tiefgreifender Erosions- und Transformationsprozess von Kirche statt. Das Bischofsamt darf hier nicht letzter Rest heiliger Hierarchien der Vergangenheit, als Fels in der Brandung der Zeiten, verstanden werden, sondern muss als Aufgabe organisiert werden, um Übergangsprozesse zu (re-)präsentieren, ggf. auch mit dem Ziel, das Bischofsamt im Blick auf eine neue Kirchlichkeit auch wieder aufzugeben. Die Synode hat nicht nur die Aufgabe der Bischofswahl, sondern auch die Verantwortung für die Rahmenbedingungen des Bischofsamtes.
Bei der Einpassung des Bischofsamts in die Kirche ist in den Blick zu nehmen, welche Aufgabe das Bischofsamt für die unterschiedlichen Handlungsfelder und Milieus unserer Kirche hat. So kann das Bischofsamt eingebunden werden in Veränderungsprozesse der Kirche. Ein alles integrierendes Bischofsamt ist ein Mythos, der handlungsunfähig macht und Frustrationen provoziert.
Das Bischofsamt ist gegenwärtig bei aller Skepsis gegenüber Kirche noch immer ein Kristallisationspunkt von Kirche. Das kann auch zu Überlastungen des Amtes und der Amtsperson werden – wie kann es gelingen, das Amt wieder funktional zu sehen und auf das Maß des Menschlichen zu bringen? Ein solches Amt wäre für unsere Kirche gegenwärtig hilfreich.
(Der Artikel wurde aus redaktionellen Gründen um 1 Jahr zurückdatiert)
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